Übersetzung des Gedichts „Das wisst ihr doch eh!“ (Thavet Atlas, 2012)
Im Warteraum des Tartuer Busbahnhofs
saß ein alter Mann auf der Bank
mit runden Brillengestellen aus Silber
wie bei den Deutschen in Filmen der Sechzigerjahre,
die in der Sowjetunion gezeigt wurden
Das wisst ihr doch eh?
Lautlos die Lippen bewegend las er Nietzsche
„Ecce Homo“
Ich werd’s nicht zitieren
Das wisst ihr doch eh?
Ein schniebel Typ im Mantel trat heran
Knurrte: „Verfluchter Penner!“
Und trat scheinbar harmlos gegen sein Schienbein
genau dort wo der Wadenmuskel beginnt
wo der Schmerz- und Nervenpunkt liegt
Das wisst ihr doch eh?
Ein Polizist, erschöpft vom Nachtdienst
in irgendeinem Club
musste zwei raufende Dichter trennen
der eine mit blutiger Nase
der andere brüllte: „Du lahmer Oblomow!“
Das wisst ihr doch eh?
Solch unregelmäßiges Sexualleben ruiniert die Nerven
Junge Frau daheim oder auch nicht?
Pflanzt euch doch gleich einen Chip ein!
Nichts ist schwerer als Nichtwissen – sondern Ahnung
Das wisst ihr doch eh?
Angewidert von diesem Anblick
machte eine Dame – schon dem Mittelalter entwachsen
eine Schmute über das Kochbuch der First Lady
obwohl ihre Oma in der Ersten Republik Wäsche wusch
und reichlich Kartoffeln in Uniform kochte
Ohne zu denken: „Wer kriegt wohl die Schalen?“
Das wisst ihr doch eh?
Äußerlich so verschieden...
Allen
diesen Nebenfiguren zeigten sogar die Uhrzeiger nur eines: „Abgrund EU!“
Das wisst ihr doch eh!
Sofort und endgültig!
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